Fotos zum Kurs finden Sie in der Galerie unter „Schnupperkurs für Erwachsene.“
Hier ein Bericht von Karin B.:
Meine Eltern hatten es gut gemeint. Auf dem Rücken eines Ponys sollte Klein-Karin abgelichtet werden – damals, vor über vierzig Jahren – in einem Freizeitpark. Das unfreiwillige Aufsitzen endete in einem Desaster: Tränen flossen und was blieb, war die Überzeugung: „Pferde sind bockig, unberechenbar, doof und zwicken beim Füttern in die Finger!“ „Was also – um alles in der Welt – soll ich heute auf diesem Reiterhof?“ „Ja, gerade weil Du Pferde blöd findest, sollst Du mitkommen“, erwidert mein Mann(fred), der sich schon seit Wochen auf diese drei Tage freut. „Ok, da bin ich – keine Ahnung, wozu!…“ Was Irma wohl von mir denkt, als ich sie am Freitag so begrüße? Das bleibt ihr Geheimnis. Mit einem Lächeln erklärt sie Bianca, Christiane, Manfred, Stefan, Wendy und mir den Ablauf der kommenden Tage. Ich bin fasziniert von der Ruhe, die dabei von ihr ausgeht. „Gut, dann holen wir erst mal drei Pferde aus dem Stall. Die könnt Ihr jeweils zu zweit putzen und striegeln.“ „Aha, ganz klasse, nun muss ich auch noch in meiner Freizeit putzen!“ ist mein letzter „blöder“ Gedanke – ich schwör’s! Es ist sicherlich kein Zufall, dass Irma für mich Toni ausgesucht hat. Mit seinen 23 Jahren hat er schon viele störrische Menschen er-tragen. Den kann auch eine querköpfige Karin nicht erschüttern.
„Hallo, Du bist also der Toni“, spreche ich den Gaul vor seiner Box zaghaft an und schaue ihm dabei höflich in die Augen. Wie ich später erfahre, hilft das Einreden auf das Tier eher dem Menschen, um Hemmungen oder Ängste abzubauen. Und dass Toni beim direkten Augenkontakt nicht aggressiv wird (das entspräche nämlich seinem natürlichen Verhalten), sondern gelassen bleibt, habe ich seiner jahrelangen Erfahrung mit unwissenden „Neulingen“ zu verdanken. Tiersprache ist eben nicht Menschensprache. Sarah, Wendys Tochter, steht uns mit Rat und Tat beiseite, während ich diesen mächtigen, muskulösen Pferdekörper striegele. Wie warm der ist! Und haarig! Aber das stört mich kein bisschen – er scheint meine ausgedehnte Massage zu genießen. Nach diesem ausgiebigen Verwöhnprogramm (das Fell glänzt und die Hufe sind sauber ausgekratzt) steht der große Moment bevor. Wir sollen gleich – nach dem Aufsitzen mit Hilfe eines riesigen „Hockers“ – zunächst mal wahrnehmen, wie es sich anspürt, auf dem Pferderücken über den Platz zu schreiten. „Wer will als Erstes?“ „Ich!“ – höre ich mich rufen ;o) Wow, sooo ein breiter Rücken! Und dieses geschmeidige Rückgrat – trotz der Größe! Ich spüre Tonis Atmung. Sein warmes Fell. Seine Muskeln. Wie unglaublich sensibel dieses Tier ist! Es reagiert auf die kleinste Zügelbewegung (Irma läuft neben Toni her, hält dabei locker die Zügel in der Hand).
Ok, Karin, Lektion eins: Eigentlich ist es ziemlich nett von diesem Lebe-Wesen, Dich auf seinem Rücken zu tragen. Ja, es hat seinen eigenen Willen (genau wie Du…), aber es ist bereit, auf Deine Signale zu reagieren – Du musst nur lernen, sie eindeutig auszusenden.
Als ich später auf dem Nachhauseweg unentwegt von „meinem Toni“ schwärme, wird Manfred schon eifersüchtig. Die Freude auf den nächsten Tag ist groß. Stolz erzähle ich jedem, der mir über den Weg läuft: „Ich gehe zum Reiten!“
Genau genommen hat es mit Reiten noch nicht viel zu tun, was wir am zweiten Tag machen: Bei herrlichem Sonnenwetter dürfen wir im Schritt auf die angrenzende Weide. Zunächst hält Manfred die Zügel und läuft neben uns her, während ich einfach nur versuche, mich den Bewegungen „meines“ Pferdes anzupassen. Das ist heute Nanne, eine junge „Dame“. Sie ist natürlich ganz anders gebaut als Toni und nicht ganz so geschmeidig; noch etwas „eckig“ und impulsiver. Wieder zurück auf dem „Platz“ erlebe ich denn auch was es bedeutet, wenn eine Stute „rossig“ ist: Für Nanne gibt es eindeutig noch Wichtigeres, als mich im Schritt Runde für Runde auf dem Rücken zu balancieren… Den jungen Wallachen vor den angrenzenden Ställen beim Buchstaben „E“ macht sie regelmäßig schöne Augen. Da scheitern meine Bemühungen, unmissverständlich zu signalisieren, dass wir beide nun bitteschön nicht zum Flirten stehen bleiben, sondern brav weiter traben, bis ich das Kommando zum Anhalten gebe.
Am dritten Tag lerne ich, dass das „Lenken“ eigentlich „fast“ so einfach ist, wie beim Fahrradfahren. Sagt Irma. Tja, finde ich gar nicht… Den Fahrradlenker kann ich fest packen und willentlich in eine Richtung drehen– so ein dünner Zügel hingegen leistet keinen Widerstand. Muss ich erwähnen, dass ich beim Slalom-(Schritt)Reiten mächtig ins Schwitzen komme? Was bei geübten Reitern locker-lässig und selbstverständlich aussieht, fordert meine ganze Konzentration.
Umso größer ist meine Bewunderung für Irma, die uns anschließend ein „Join Up“ zeigt. Wie wir erfahren, hat der 1935 geborene „Pferdeflüsterer“ Monty Roberts mit dieser Methode bahnbrechende Erfolge erzielt.
In der kleinen Reithalle beobachten wir mucksmäuschenstill diese ca. fünfminütige Demonstration. Mae, eine junge, wild aufgewachsene, menschenscheue englische Stute, steht sichtlich verunsichert neben Irma. Diese hält keinen Blickkontakt, spricht nicht mit dem Tier, scheint ihm jedoch durch ihre freundliche, aber bestimmte Körperhaltung Respekt einzuflößen. Dann versetzt sie Mae – durch mehrmaliges Zuwerfen eines Seils und einen festen Blick in die Augen – in eine künstlich herbeigeführte Fluchtsituation. Irma simuliert mit dieser Aktion das zeitweise Ausstoßen aus der Herde bei Fehlverhalten. Ein frei lebendes Pferd würde mehrere Hundert Meter flüchten, doch hier merkt das Tier, dass ein Entkommen nicht möglich ist. Ihm bleibt nur, ausgestoßen Runde um Runde am Hallenrand entlang zu galoppieren – eine ausweglose Situation. Also sendet Mae innerhalb weniger Minuten Verbrüderungssignale aus: Ihre Ohren orientieren sich zu Irma hin, die während der gesamten Zeit nichts anderes tut, als sich im Zentrum der Halle mit minimalistischer Bewegung um die eigene Achse zu drehen. Nun beginnt Mae zu kauen und zu lecken. Hiermit will sie signalisieren, dass sie „eigentlich nur ein harmloser Pflanzenfresser“ ist. Ihr Schritt verlangsamt sich. Als sie schließlich ihren Kopf tief senkt und sich rund macht, bleibt Irma stehen. Sie wendet dem Tier halb den Rücken zu und scheint gelassen auf den Boden vor sich zu schauen. Dies weckt die Neugierde bei dem Pferd – es bleibt unvermittelt stehen. Noch unsicher geht es dann langsam von hinten auf Irma zu. Zur Belohnung für die Annäherung reibt Irma Mae – ohne sie dabei anzuschauen – die Stirn. Durch diese Geste erfährt das Tier, dass Irma ihr wohl gesonnen ist und Sicherheit gibt. Als Irma nun einige Schritte geht, folgt ihr Mae ruhig nach, um den „Herdenersatz“ nicht zu verlieren. Die Stimmung in der Halle ist heiter und entspannt. Wir Zuschauer sind sprachlos und äußerst beeindruckt von dieser einfühlsamen Art der Kommunikation.
Monty Roberts‘ Devise: „Wenn wir mit dem Pferd in seiner Sprache vernünftig reden, wird es tun, was wir möchten. Aber nur, weil es das auch selber will – und nicht, weil es dazu gezwungen wurde“ klingt noch lange bei mir nach.
Sollte jeder in seinen Alltag einbauen – könnte auch in der einen oder anderen Situation in der Familie oder am Arbeitsplatz funktionieren … ;o)
Nie hätte ich gedacht, dass ich hier so viel lernen würde! Irma, Toni & Freunde: Ganz lieben Dank für diese intensive Zeit mit Euch. Wir kommen wieder – versprochen!